Freitag, April 14, 2006

Hartz IV 1ster und 2ter Klasse


Die Münchner Abendzeitung hat sich in dieser Woche dem Thema Hartz IV von einer anderen Seite genähert.
So machte Herr Bond (gelernter Glücksrad-Dreher) vor einigen Tagen Schlagzeilen mit seinem Geständnis, er erhalte € 565,00 Hartz IV im Monat. Neben der Schlagzeile ein Bild von einem golfenden (!) Herrn Bond.

Erwartungsgemäß (und das wahr ja wohl der Grund des Aufmachers) blieb der öffentliche Aufschrei nicht aus. Darf der Mann das? In aller Seelenruhe Golf spielen und dabei Hartz IV-Empfänger sein? Ja, wo kämen wir denn da hin, wenn alle.....

Liebe Leute, vielleicht habe ich da ja was falsch verstanden, aber meines Wissens gibt es kein Gesetz, das einem Hartz IV-Empfänger das Golfspielen untersagt. Auch steht nirgendwo geschrieben, dass die Empfänger von Hartz IV in Sack und Asche herumlaufen müssen und sich gefälligst zu schämen haben.

Nur einen Tag später enterte Horst Janson (gelernter Bastian), Neupleitier die Titelseite und hieß Herrn Bond unmoralisch. Der moralische Herr Janson hat auch pleite gemacht und bezieht kein Hartz IV sondern schnallt (übrigens nicht ohne die Hilfe gutmeinender Freunde) den Gürtel einfach etwas enger.
Vielen Dank, dass Sie uns das wissen ließen. Ich bin sicher, dass Hunderttausende von deutschen Hartz IV-Empfängern über Ostern ihren moralischen Standpunkt nochmals überprüfen werden.

Im Ernst: Wir leben nun einmal in einer Solidargemeinschaft (und darauf legen die meisten Bundesbürger auch großen Wert) und die gilt nun mal für alle. Und dann müssen wir uns doch fragen: Hat jemand, der durch sein sicherlich hohes Einkommen in der Vergangenheit einiges für unsere Wirtschaft (und damit für unsere Solidargemeinschaft) getan hat, kein Recht auf den Bezug von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe, wenn er denn dann in Not geraten ist? Gibt es Not erster und zweiter Klasse? Und hat das wirklich etwas mit Moral zu tun?

Generell stellt sich natürlich die Frage, wie so oft, wie hoch ist eigentlich der Informationswert dieser Nachrichten, mit denen die Abendzeitung uns da eine ganze Woche lang beglückt? Und ist es wirklich sinnvoll, liebe Abendzeitung, das ohnehin kritische Thema Hartz IV mit einer Diskussion über "Golf oder nicht Golf" zu bereichern?

Die Neidgesellschaft hat soeben den Bereich der Sozialhilfeempfänger erreicht. Herzlichen Glückwunsch.

Wir wäre es, wenn zur Abwechslung mal wieder jeder für sich schaut, wie er glücklich wird und nicht dauernd zum Nachbarn schielt, ob der vielleicht, unverdient natürlich, doch ein kleines bißchen glücklicher ist? Das wäre doch mal Fortschritt, was meinen Sie?

Es grüßt Sie herzlich
Ihre
Kirsten Erlenbruch

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